Selbstwirksamkeit im Sport: Ich wirke, also treff ich! (mit Trainingstipps)

Selbstwirksamkeit im Sport: Ich wirke, also treff ich! (mit Trainingstipps)

Was brauchen AthletInnen um auch in schwierigen und entscheidenden Situationen selbstsicher zu bleiben? Egal ob es sich um einen wichtigen Freiwurf im Basketball, dem entscheidenden Elfmeter im Fußball oder beim Matchball im Tennis geht. Das Vertrauen einen Treffer zu landen ist eine wesentliche Voraussetzung um das beste aus sich herauszuholen. In diesem Beitrag geht es nicht um Selbstvertrauen, sondern um Selbstwirksamkeit im Sport

Selbstwirksamkeit im Sport, noch nie gehört?

In meiner jahrelangen Tätigkeit als Sportpsychologe waren die Themen der AthletInnen sehr ähnlich. Die zwei häufigsten Mentalthemen der von mir betreuten AthletInnen waren der (1) konstruktive Umgang mit Fehlern mit rascher Neukonzentration auf das Spielgeschehen und (2) mehr Selbstvertrauen. Selbstverständlich gibt es mehr Themen, aber diese beiden waren auffällig häufig.

Dabei sprach im Grunde kaum jemand von Selbstwirksamkeit. Neben den Athleten war auch bei den Trainern von Selbstvertrauen die Rede. Und das ist auch gut und wichtig so. Bei näherem nachhaken zeigte sich häufig, dass sie eigentlich Selbstwirksamkeit meinen. Denn im Spitzensport geht es nicht nur um den „Mut jemanden auszudribbeln“, sondern auch um die innere Überzeugung, dass der Haken der Finte klappen wird und der Gegenspieler umspielt wird. Und diese Zuversicht kann nicht nur erfolgsentscheidend sein, sondern ist erfreulicherweise auch gut trainierbar.

Was ist nun diese Selbstwirksamkeit?

Nun denn, Selbstwirksamkeit ist ein psychologisches Konzept des einflussreichen kanadischen Psychologen Albert Bandura, welches seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der klinischen und Gesundheitspsychologie einnimmt. Seitdem wurde das Konzept der Selbstwirksamkeit nicht nur im psychologisch-medizinischen Bereich, sondern auch im Sport erforscht.

Sinngemäß ist Selbstwirksamkeit die innere Überzeugung über ausreichende Fähigkeiten bzw. Kompetenzen zu verfügen um eine Aufgabe bzw. Herausforderung zu bewältigen oder eben Ziele zu erreichen.

Macht Selbstwirksamkeit einen Unterschied?

Im heutigen Spitzensport ist das Leistungsniveau im Allgemeinen sehr hoch und unterscheidet sich immer weniger in den körperlichen und technischen Fähigkeiten der SportlerInnen. Stark sind sie eh alle, auch wenn einzelne doch etwas mehr herausstechen als Andere, wie z.B. ein Lionel Messi, ein Christiano Ronaldo, LeBron James oder Marcel Hirscher.

Dies bedeutet, dass auf Spitzenniveau nicht nur die Fähigkeiten, sondern vor allem auch der mentale Aspekt über Sieg und Niederlage entscheiden können. Konkret bedeutet das: AthletInnen, welche daran glauben, dank ihrer überragenden Fähigkeiten den Unterschied machen zu können, auch eher eine Topleistung erbringen als AthletInnen, welche eher die Angst haben zu versagen, da ihr Können nicht ausreicht um einen Wettkampf zu gewinnen.

Hierbei geht es vor allem auch um den positiven Umgang mit Druck. Und die Selbstwirksamkeit ist ein positiver Zugang zu einer Herausforderung, auch wenn diese noch so heikel ist. Die Herausforderung ist mental kein Problem, wenn die Überzeugung für die erfolgreiche Bewältigung da ist!

Selbstwirksamkeit verhilft dir zu schnellen UND guten Entscheidungen!

Über den emotionalen Teil hinaus, hilft eine starke Selbstwirksamkeit sogar, bei der Entscheidungsfindung unter Zeitdruck. In einer Studie von Hepler und Feltz (2012) hatten 72 Versuchspersonen in 13 Durchgängen die Aufgabe anhand von videobasierten Entscheidungssituationen im Basketball eine möglichst rasche Entscheidung zu treffen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Probanden mit einer entscheidungsbezogenen Selbstwirksamkeit eine höhere Rate an besseren Entscheidungen unter Zeitdruck (hier wurden sogenannte TTFs verwendet: „taking the first“- options) getroffen haben.

Als Grund für die besseren und schnelleren Entscheidungen wird angeführt, dass selbstwirksame Personen auch weniger Handlungsoptionen verarbeiten und somit auch keine „gefühlte Ewigkeit“ nachdenken müssen um zu einer Entscheidung zu kommen. Selbstwirksamkeit zu stärken, stärkt somit auch die Fähigkeit sich rasch für erste Handlungsoptionen (TTF) zu entscheiden.

„Wichtig ist daran zu glauben, dass die getroffene Entscheidung auch die Richtige ist!“

Wie lässt sich Selbstwirksamkeit im Sport trainieren?

In meinem Trainingsansatz zum Training der Selbstwirksamkeit im Sport greife ich auf einen theoriebasierten Ansatz zurück. Konkret habe ich die vier Quellen der Selbstwirksamkeit nach dem Modell von Albert Bandura analysiert und für den Sport adaptiert. Im Folgenden stelle ich diese vier Quellen vor, begründe was diese für den Sport bedeuten und nenne Beispiele, wie sich diese trainieren lassen:

1.Eigene Erfolgserlebnisse

Einen wesentlichen Einfluss auf die eigenen Selbst-Überzeugungen haben vergangene Erfahrungen über Scheitern und Erfolg. Vor allem positive Erfahrungen, in denen du auch schwierige Herausforderungen durch deine eigenen Erfahrungen und Anstrengungen bewältigt hast, stärken deinen Glauben an dich selbst nachhaltig. Auch wenn du weißt, dass du trotz Niederlagen und Rückschlägen immer wieder aufstehst und letztlich doch zu deinem erwünschten Ergebnis kommst wird dich auch für die Zukunft stärken. Denk stets daran, was du bereits erreicht hast – hier sind auch die kleinen Schritte von Bedeutung.

Mein Tipp: JugendtrainerInnen sollten im Rahmen der Leistungsentwicklung der NachwuchssportlerInnen das Training so gestalten, dass alle AthletInnen die Möglichkeit erhalten, große und kleine Erfolgserlebnisse zu sammeln. Wenn die Übungen für alle gleich sind, werden die besseren AthletInnen zwar Erfolgserlebnisse sammeln oder vielleicht sogar gelangweilt sein und leistungsrückständige SportlerInnen laufen Gefahr das Training als frustrierend zu erleben. Zwar ist es auch ein wichtiger Aspekt den Umgang mit Frustration zu lernen, doch ohne Erfolgserlebnisse wird es auch schwer eine starke Selbstwirksamkeit für die großen Drucksituationen zu entwickeln, welche für heikle Wettkämpfe eine große Bedeutung für das Abrufen des Leistungspotentials haben.

2. Stellvertretende Erfahrungen / Vorbilder

Vor allem wenn du Ziele verfolgst die nur wenige schaffen oder du vor schwierigen Aufgaben stehst, die du vorher noch nicht bewältigen konntest, dann schau dich um: Du wirst feststellen, dass es oft schon andere gab, die einst in einer ähnlich schwierigen Situation waren wie du und es trotzdem geschafft haben. Such dir ein passendes Vorbild. Es muss nicht der/die Beste auf der Welt sein.

Mein Tipp: Finde deine Inspiration!!! Du kannst dir auch mehrere Vorbilder suchen. Schau dir ihre Videos an oder lies dir deren Biografien durch. Dann wirst du feststellen, dass auch ein Hermann Maier, ein Lionel Messi (Minderwuchs bevor er zum FC Barcelona kam) oder Tyrone Curtis Bogues auch bekannt „Muggsy Bogues“ (kleinster NBA-Spieler ever) ihre schwierige Vorgeschichte hatten. Interessant finde ich auch die Geschichte des österreichischen „Weltklassekopfballspielers“ Stefan Maierhofer, welcher sich mit einem großen Glauben an sich selbst aus der österreichischen „Unterliga“ bis zum FC Bayern München in die Champions League köpfelte.

Basketball: Er verfügte sicher über Selbstwirksamkeit!
NBA-Star trotz 160cm Körpergröße:
Tyrone „Muggsy“ Bogues

Die inspirierenden Vorbilder müssen aber nicht unbedingt Superstars sein. Es können auch die kleinen Geschichten aus dem Dorfverein sein, wo einer deiner Klassenkollegen es mit hartem Training und einer ehrfurchtswürdigen Einstellung in das A-Team schafft, obwohl er von seinem Jugendtrainer schon abgestempelt wurde.

3. Verbale Ermutigung

Hier gilt die Ermutigung und das Lob deiner Mitmenschen, Eltern, Lehrer, Freunde oder TeamkollegInnen an der richtigen Stelle. Übertriebenes oder maschinell ausgesprochenes Lob können unglaubwürdig ankommen und deine Motivation sogar bremsen. Wenn du Lob für etwas bekommst, wo du dich gar nicht anstrengen musstest, dann könntest du sogar glauben, dass man sich von dir ohnehin nicht mehr erwartet – und das wäre auch nicht förderlich für deine Selbstüberzeugung. Lob an der richtigen Stelle können deine Anstrengungsbereitschaft und deinen Glauben an dich selbst jedoch stärken. Also umgib dich nicht mit Zweiferln, sondern achte darauf, wer auch wirklich an dich glaubt und dich im richtigen Maße fordert.

Mein Tipp: Wenn du zweifelst, öffne dich gegenüber deinen Vertrauten und sprich offen über deine mentalen Schwierigkeiten. Sprich auch offen an, dass du in der momentanen Phase Ermutigung brauchst (z.B. „Ich glaub an dich!“ oder „Du schaffst das!“) um aus der Abwärtsspirale der Nicht-Überzeugtheit herauszukommen. Betone dabei jedoch, dass es dir wichtig ist, wieder mental stärker zu werden und du bereit bist hart daran zu arbeiten.

Hilfreich ist dabei auch, dass du auch anderen AthletInnen gut zusprichst und betonst, dass du an sie glaubst. Das stärkt nicht nur den sozialen Zusammenhalt im Team, sondern führt auch dazu, dass du in schwierigen Phasen Unterstützung von deinen TeamkollegInnen erhältst.

Die Methode der verbalen Ermutigung funktioniert im Übrigen umso besser, desto stärker das Vertrauensverhältnis zwischen Ermutigter und Ermutigungsempfänger ist. Wenn eine solche Person in deinem Umfeld (noch) nicht vorhanden ist, empfehle ich den Weg zu einem Mentaltrainer.

Sportpsychologe Mario Schuster im Stadion
Im Einsatz für den ÖFB-Nachwuchs in einem Stadion in Norwegen. (Bild: November 2019)

4. Wahrgenommener körperlicher Zustand und emotionale Erregung

Wenn eine bevorstehende Aufgabe, eine Übungsdemonstration, ein wichtiges TV-Interview, ein sportlicher Wettkampf oder eine entscheidende Spielsituation ansteht, wird dies dein Kopf auch bewerten.

Je nachdem wie deine individuelle Bewertung ausfällt, wird die anstehende Aufgabe/Situation (Basketball: entscheidender Freiwurf 1 Sekunde vor Schluss; Fußball: Entscheidender Elfmeter im WM-Finale 1994 –> Roberto Baggio) auch Angst, Anspannung oder damit verbundene körperliche Reaktionen (Herzklopfen, Schweißausbrüche, Händezittern, Frösteln, Übelkeit) auslösen.

Doch an der Regulierung dieser körperlichen Stressreaktionen kannst du arbeiten und durch gezieltes Entspannungs- oder Stressbewältigungstraining bzw. mentaler Techniken abbauen. Dazu lohnt es sich mit Profis zusammenzuarbeiten: Vor allem im Sportbereich kannst du mit entsprechend ausgebildeten Mentaltrainern und Sportpsychologen entsprechende Techniken erlernen und trainieren.

Mein Tipp: Lerne die Kontrolle über deinen Körper und deinen Geist zu erhalten. Mit Körper meine ich nicht nur kontrollierte körperliche Bewegungen, sondern die Kontrolle über deine Körperfunktionen. Ja, das ist möglich. Mit der Methode PMR kannst du lernen dein Muskelspannungsniveau zu regulieren. Noch mächtiger ist die Technik Autogenes Training. Damit kannst du sogar lernen, deine Körpertemperatur zu steuern. Diese Erfahrung zu machen – also deine Körperfunktionen zu kontrollieren – ist nicht nur stresslösend, sondern stärkt auch deine Selbstwirksamkeit. Wow!

Verwendete Literatur:

Bandura, A. (1989). Human agency in social cognitive theory. American Psychologist, 44(9), 1175-1184.

Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: W.H. Freeman.

Hepler, T. J., & Feltz, D. L. (2012). Take the first heuristic, self-efficacy, and decision-making in sport. Journal of Experimental Psychology: Applied, 18(2), 154–161. http://doi.org/10.1037/a0027807

Schwarzer, R. (2004). Psychologie des Gesundheitsverhaltens: Einführung in die Gesundheitspsychologie (3., überarbeitete Auflage.). Göttingen.

Mario Schuster

Der Gründer und Autor Mario Schuster ist Arbeits- und Sportpsychologe, Sportwissenschafter und ausgebildeter Fachtrainer in der Erwachsenenbildung (nach ISO 17024). Zusätzlich zu seiner Zertifizierung als Arbeits- und Organisationspsychologe ist er Mitglied im ÖBS (Österreichisches Bundesnetzwerk für Sportpsychologie). In seinem ersten Berufsleben war er jahrelang als Sportwissenschafter im Reha- und Gesundheitsmanagement tätig und hat am 1. Jänner 2017 das Unternehmen Mental Synergy gegründet. Mit diesem hat er sich zum Ziel gesetzt, das Training mentaler Kompetenzen in Sport und Wirtschaft zu etablieren. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Brennpunkt Psychologie der Digitalisierung.

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